Vom 3.10. bis 18.10.2020 fand auf dem Steinplatz (Berlin) ein Public Painting auf mobilen Plakatwänden statt. Das Projekt fand in Kooperation mit dem Bezirksamt Berlin-Charlottenburg statt. „Public Paintings“ ist eine offene Projektreihe der Akademie für Malerei Berlin. Diese Reihe gibt KünstlerInnen die Möglichkeit, sich und ihre Arbeiten im öffentlichen Raum zu präsentieren. Sie verlassen den gewohnten Bildträger und stellen sich der Herausforderung, die das Format Plakatwand und das Arbeiten unter freiem Himmel mit sich bringen. Passanten sind eingeladen, die Entstehung der Bilder dieser Projektreihe zu verfolgen und teilweise auch daran teilzunehmen.
Was ist Public Painting?
Einfach ausgedrückt handelt es sich um eine Form von Public Art, also um öffentliche Kunst im öffentlichen Raum mit den Mitteln der Malerei. Was die Kunst im öffentlichen Raum auszeichnet, ist die einzigartige Verbindung zwischen der Kunst ihrer Herstellung, ihrem Ort und ihrer Bedeutung. An öffentlichen Orten platziert, ist diese Kunst für alle da, eine Form des kollektiven gemeinschaftlichen Ausdrucks. Öffentliche Kunst spiegelt die Art und Weise wider, wie wir die Welt sehen - die Antwort des Künstlers auf unsere Zeit und unseren Ort in Verbindung mit unserem eigenen Selbstverständnis.
Heute kann Kunst im öffentlichen Raum eine Vielzahl von Formen, Größen und Maßstäben annehmen - und sie kann temporär oder dauerhaft sein. Sie kann fünfzig Meter hoch sein oder so klein wie der Stein unter Ihrem Schuh. Ihre Form kann abstrakt oder realistisch sein (oder beides). Sie kann ortsspezifisch sein oder im Kontrast zu ihrer Umgebung stehen.
Oft interpretiert sie die Geschichte des Ortes und seiner Bewohner und greift vielleicht ein soziales oder ökologisches Problem auf. Öffentliche Kunst kann Wandmalereien, Skulpturen, Denkmäler, integrierte architektonische oder landschaftliche Werke, Gemeinschaftskunst, digitale neue Medien und sogar Performances und Festivals umfassen! Das Projekt Public Painting auf dem Steinplatz bestand aus mobilen Plakatwänden, die nach dem Projekt wieder abgebaut wurden.
Kunst im öffentlichen Raum ist Kunst, die in einem öffentlichen Prozess für die Allgemeinheit geschaffen wird. Öffentliche Kunst versucht, öffentliche oder universelle Konzepte zu verkörpern und nicht kommerzielle, parteipolitische oder persönliche Konzepte oder Interessen. Insbesondere ist öffentliche Kunst auch das direkte oder indirekte Produkt eines öffentlichen Prozesses der Schaffung, Beschaffung und/oder Pflege. Kunst erregt Aufmerksamkeit, das ist ihre Funktion. Daher kann öffentliche Kunst Kontroversen auslösen. Unterschiedliche Meinungen in der Bevölkerung sind unvermeidlich, und öffentliche Kunst ist ein interaktiver Prozess, an dem Künstler, Architekten, Designer, Anwohner, Politiker, Genehmigungsbehörden, Geldgeber und Bauteams beteiligt sind. Die Herausforderung dieses gemeinschaftlichen Prozesses besteht darin, mit kontroversen Meinungen kreativ umzugehen.
Wir bauen auf Euch – Steinplatz gestern und heute
Karin Stumpf hat mit ihrem Projekt in 7 Tagen ein Bild entstehen lassen, das von Passanten, Anwohnern, den Spuren in der Umgebung (z.B. Fotos, Abziehbilder auf Masten, Plakate etc.) und der Künstlerin gemeinsam entwickelt wurde. In der Interaktion zwischen Betrachter und Künstler entstand ein Gemeinschaftswerk. Die Künstlerin war somit das verbindende Element, das...
- das Gemeinsame erkennt und zusammenführt
- Gegensätzliches aufzeigt und zur Diskussion anregt
- die zum Gespräch, zum Austausch anregt
- die künstlerische Optionen und Möglichkeiten aufzeigt
- sortiert, aussortiert, ergänzt, weiterführt
Auf dem Steinplatz befinden sich drei Denkmäler. Außerdem ist der Platz von vier denkmalgeschützten Gebäuden umgeben. Der Platz lebt von dieser Vielfalt und seiner (kurzen) Geschichte. Ziel war es, genau diese Vielfalt, seine Geschichte und den Bezug zur Gegenwart künstlerisch darzustellen. Schicht für Schicht wurden die historischen Eckpfeiler des Platzes mit Collagen und Malerei ergänzt und aufgebaut. Dabei wurden Passanten und Vertreter des Steinplatzes explizit eingeladen, ihre „Geschichte“, ihre Sicht auf den Platz mit Erinnerungsstücken, Skizzen und Fotos beizusteuern. Im Vorfeld wurden Gewerbetreibende, Anwohner und Studenten kontaktiert und gebeten, ihre Erinnerungen, ihre Geschichte, ihre aktuellen Erfahrungen einzubringen, wobei jeder Tag einem anderen Thema gewidmet war.
Die gestellten Fragen sollten die Mitwirkenden zu persönlichen Beiträgen anregen:
- 3.10 (1696) - Stein #1 - Die UdK: Berlins älteste Universität. Wie hat sich die Rolle der Universität über die Jahre verändert, wie erleben Studenten die heutigen virtuellen Semester? Welche Rolle spielen Frauen an der Universität und in der Kunst? Bis 1918 waren diese ausgeschlossen. Die erste Professorin (Renee Sintenis) wurde 1931 ernannt, die zweite (Rebecca Horn) erst 1989
- 4.10 (1757) - Stein #2 - Steindenkmal: Wer war der Freiherr von Stein? Was wissen Anwohner und Passanten über den Freiherrn? Wie könnte man ihn den Passanten näher bringen? Stein war preußischer Beamter, Staatsmann und Reformer. Er rettete die Staatskasse vor den Franzosen, schaffte die Erbuntertänigkeit der Bauern ab. Städte dürfen sich selbst verwalten, Humbodt reformiert im Auftrag Steins das Schulwesen.
- 5.10 (1848-1866) - Stein #3 - Bewohner der gründerzeitlichen Mietshäuser (zwischen Uhland- und Carmerstraße): Was wissen sie über die Geschichte des Platzes? Was bedeutet er für sie? Was gefällt ihnen, was fehlt? Bernhard Weiss, Polizeivizepräsident, Jude, lebte da und wurde beinahe von den Nazis gefangen genommen.
- 1885 - Anlage des Steinplatzes
- 6.10 (1913) - Stein #4 - Hotel am Steinplatz: Welche Rolle spielte und spielt die Gastronomie für den Zusammenhalt des Quartiers? Welche Geschichten sind bekannt? Welche anonymen Beobachtungen gibt es? Von August Endell erbaut Max Zellermayer erwirbt das Hotel 1913, 1933 wird er verraten. Hotel im Krieg von der Marine beschlagnahmt und durch Bomben beschädigt. Während des Zweiten Weltkrieges werden auf dem Dach Tomaten, im Keller Champignons gezüchtet und im Innenhof die Ziege Beate gehalten.
- 7.10 (1918-1945) - Stein #5 - Gedenkstein für die Opfer des Nationalsozialismus - Welche weiteren Spuren hat der Nationalsozialismus hier in der Region hinterlassen? Welche Gräueltaten wurden hier begangen? Hat der Rechtsextremismus hier noch eine Stimme?
- 8.10 (1927-1953) - Stein Nr. 6 - Gedenkstein für die Opfer des Stalinismus - Welchen Bezug gibt es heute noch zur ehemaligen Sowjetunion? Gibt es in Berlin noch ein Ost-West-Denken? Wie wird die aktuelle Russland- und Ukrainepolitik wahrgenommen? Dies ist das erste Denkmal für die Opfer des Stalinismus. Eine Gedenkfeier findet am 17.6. statt
- 9.10 (1955) - Stein Nr. 7 - Haus Höchst: Die Rolle des Gewerbes im Wohngebiet? Gibt es ein Überleben für Unternehmer nach der Krise? Wie unterstützen sich die Gewerbetreibenden während der Corona-Krise?
- Zusammenfügen der Steine - Fertigstellung des Bildes





